Neuer Oberliga-Modus: von „an sich geil“ bis „Nicht unter den Top 470“

Findet den Oberliga-Modus okay, sieht aber auch Handlungsbedarf beim Verband: Michael Fischer, Trainer SV Rugenbergen (Foto: Lobeca/Homburg)

Gestern gab der HFV den neuen Modus für die Oberliga bekannt und hat damit für ein breites Echo bei den Vereinen gesorgt. Oberliga.info fragte bei den Clubs nach. Und man kann sagen: größtenteils kommt das Grundprinzip des Modus an, doch Teile der HFV-Entscheidung werden kritisch gesehen. Vor allem die Tatsache, dass die Punkte nach der Hinrunde auf „null gestellt“ werden, stößt vielen Verein auf. Teilweise gibt es auch deftige Kritik.

„Der Modus an sich ist geil, aber“

Thorben Reibe, Trainer von Union Tornesch, ist zwiegespalten. „Der Modus ist an sich ganz geil. Das hätte ich auch so vorgeschlagen. So kracht es am Ende nochmal richtig!“ Kein Verständnis hat der 38-Jährige aber dafür, dass die Punkte aus der Hinrunde nicht mitgenommen werden: „Die Saison wird in diesen sieben bis zehn Spielen entschieden, der Rest fällt aus der Wertung. Das führt dann dazu, dass es wahrscheinlich mehr als zehn Mannschaften Freundschaftsspiele bestreiten. Vielleicht eine handvoll Mannschaften wird um die Ränge sechs bis zwölf kämpfen. Und so wird dann auch ein bisschen der Wettbewerb verzerrt, wenn die Trainer probieren, weil sie frühzeitig wissen, wohin die Reise geht.“ Auch beim USC Paloma stößt Coach Steffen Harms ins gleiche Horn: „Ich halte die Idee in Anbetracht des Zeitfaktors für absolut in Ordnung. Ich bin allerdings auch der Meinung dass die erbrachte Leistung in der Hinrunde honoriert werden sollte und man zumindest die erzielten Punkte gegen die Auf- oder Abstiegsrundengegner mitnimmt.“

Geht praktisch in die neue Oberliga-Spielzeit: Danny Zankl vom TSV Sasel

Der Verband ist gefordert

Ähnlich wie Reibe und Harms sieht es Michael Fischer. Dass nur eine Hinrunde gespielt wird, kann der Trainer des SV Rugenbergen verstehen: „Wir können ja froh sein, dass wir überhaupt kicken dürfen. Und dass man zeitlich etwas straffen muss, ist auch klar. Von daher finde ich diesen Einrunden-Modus völlig okay.“ Allerdings weißt der Übungsleiter des Pokalhalbfinalisten darauf hin, dass man der Verband bei den Ansetzungen eine gewisse Chancengleichheit herstellen muss. Hier zielt er vor allem auf die Unterschiede beim Untergrund: „Man muss es irgendwie Regeln, dass Rasenmannschaften nicht jedes Auswärtsspiel auf Kunstrasen spielen müssen und umgekehrt. Hier ist der Verband gefordert, einigermaßen ein Gleichgewicht herzustellen.“ Ebenso wie sein Kollege Thorben Reibe hat Fischer kein Verständnis dafür, dass die Punkte nicht mitgenommen werden: „Das ist komplett unfair. Ich muss zumindest die Punkte mitnehmen, die ich gegen die direkte Konkurrenz bereits gesammelt habe. So ähnlich wie man das bei der Handball-WM macht!“

Endspielcharakter und Spannung

Für Osdorfs Manager Cemil Yavas überwiegen die Vorteile des geänderten Saisonablaufs: „Es ist auf jeden Fall was spannendes und bringt, glaube ich, auch nochmal etwas mehr Wettbewerbscharakter rein. Es gibt tatsächlich viele Mannschaften, die gefühlt nach der Hinrunde um die goldene Ananas spielen und als Saisonziel einen einstelligen Tabellenplatz angeben. Jetzt wird dieser einstellige Tabellenplatz Goldwert sein und jedes Spiel wird wahrscheinlich einen Endspielcharakter haben.“ Allerdings Ich kann mir vorstellen das es allerdings zu einem großen Geschrei bei den schwächeren Mannschaften kommen kann, wenn die Heim und Auswärtsspiele unfair verteilt werden. Ich sehe es tatsächlich kommen das sich da einige Beschwerden werden und das Geschrei groß werden könnte. Wir sind auf jeden Fall gespannt und lassen alles auf uns zukommen.“

Saseler Pragmatismus

Beim TSV Sasel geht Danny Zankl von einem Übergangsjahr aus. „Wir hoffen ja alle, dass nächstes Jahr alles wieder normal läuft“, meint der Trainer des Pokalfinalisten und übt sich sonst in Pragmatismus: „Begeistert bin ich nicht. Wir wissen aber, dass momentan nichts anderes möglich ist. Dass es in diese Richtung geht, konnte man sich denken. Ob das spannender oder nicht spannender wird, sei dahingestellt. Aber wir wollen alle spielen und sind froh, dass es weiter geht.“ Zankl glaubt, dass es vor allen in Richtung Hinrunden-Ende zu dem einen oder anderen taktischen Spielchen kommt: „Die Mannschaften, die wissen in welcher Runde sie spielen, werden die Chance zum Taktieren und Probieren nutzen. Kräfte werden geschont.“ Zwischen den Zeilen schwingt die Angst vor Wettbewerbsverzerrung mit, auch wenn Zankl es so nicht sagt: „Wenn ein Team auf Punkte angewiesen, kann das Taktieren des Gegners durchaus helfen.“

Nicht allen recht machen können

Ähnlich wie Zankl sieht Mert Kepceoglu der Saison eher pragmatisch entgegen. Der Sportliche Leiter des Meiendorfer SV meint: „Es ist völlig egal, wie der Verband entschieden hätte. Er hätte es nie allen recht machen können. Daher nehmen wir es so, wie es jetzt gekommen ist.“ Der 23-Jährige ist erst einmal froh, dass es überhaupt weiter geht: „Seien wir doch froh, dass wir in 2020 überhaupt spielen können.“ Auch die Tatsache, dass die Punkte nach der Hinrunde nicht mitgenommen werden, sieht Kepceoglu pragmatisch: „Wenn du die Hinrunde versaust, bekommst du nochmal eine zweite Chance. Das macht die Motivation dann doch etwas leichter, wenn du weißt, dass du eine echte Chance hast, doch noch die Klasse zu halten.“ Angesichts des dichtgedrängten Mittelfelds in der Oberliga sieht der MSV-Macher noch einen Vorteil: „Wenn du dich als Achter für die Meisterrunde qualifizierst, kannst du nicht mehr absteigen. Dann kannst du probieren, mutig sein, weil du nichts mehr zu verlieren hast.“

Sieht den Modus bei 500 Ideen nicht unter den Top 470:
Dassendorfs Sportchef Jan Schönteich (Foto: Lobeca/Gettschat)

Keine gute Idee

Mit Kopfschütteln quittiert Jan Schönteich den neuen Oberliga-Modus. Der Sportchef des TuS Dassendorf sieht den Wettbewerbscharakter etwas ad absurdum geführt: „Es ist keine gute Idee. Die Hinrunde ist für viele Teams relativ uninteressant. Viele werden es spielend schaffen unter die ersten Acht zu kommen. Andere Mannschaften haben keine Chance auf die ersten Acht.“ Von daher glaubt Schönteich, dass zu viele Spiele einen Freundschaftsspielcharakter haben werden. Zumal die Saison halt in den sieben bis zehn Spielen zum Ende entschieden wird: „Das ist von 500 Ideen, die du haben kannst, nicht in meinen Top 470! Ich finde es nicht annähernd gut.“

Saison mit Fragezeichen

Deutliche Kritik kommt auch von einem Aufsteiger. Özden Kocadal, Trainer vom HEBC, steht dem Modus kritisch gegenüber: „Ich finde es falsch, hier die Vereine nicht mit ins Boot zu holen. Ich habe diesen Modus noch nie gespielt und weiß nicht mal, ob es diesen Modus im Weltfußball gibt. Jedenfalls wird er uns vom HFV so verkauft, als wäre es eine Innovation.“ Kocadal sieht einfach zu viele Fragezeichen, gerade was den Abstieg angeht: „Man kann nur schwer abschätzen, wie viele Teams absteigen. Dies hängt mit der hohen Anzahl Hamburger Teams in der Regionalliga zusammen. Man weiß nicht, wie viele von denen die Liga halten können.“ Auch die Möglichkeit einer zweiten Corona-Welle wird aus Sicht des HEBC-Coaches völlig außer Acht gelassen: „Wir wissen noch nicht mal, ob die Saison zu Ende gespielt werden kann. Deshalb frage ich mich, warum wir den Oberliga-Modus in so einer komplexen Situation verändern musst. Vereinfacht der Modus alles für die Sportler oder den Verband?“ Dass die Punkte nicht mitgenommen werden, stößt Kocadal ebenfalls auf: „Wenn die Punkte aus der Hinrunde nicht mit in die Wertung einfließen, finde ich den Modus falsch!“