Kommentar: Idee des HFV ist nicht realistisch

Am Freitag gab der Hamburger Fußballverband bekannt, dass man spätestens am 13. Februar in den vollen Trainingsbetrieb zurückkehren muss, um die Saison vernünftig zu beenden. Ansonsten wird die Spielzeit 2020/21 annulliert, es wird ohne Auf- und Absteiger gespielt und die Spielzeit 2021/22 neu angesetzt. Was auf den ersten Blick verständlich ist, kann auf den zweiten Blick nur Kopfschütteln hervorrufen. Ein Kommentar von Oberliga.info-Redakteur Christian Kalaß.

In der Blase oder weltfremd?

Als ich am Freitagabend den offenen Brief von HFV-Präsident Dirk Fischer überflog, dachte ich im ersten Moment: „Oh hey, man macht sich Gedanken.“ Und legte diesen erst einmal virtuell beiseite. Als ich dann heute Vormittag wieder hervorholte, um ihn genauer zu studieren, kam ich aus dem oben erwähnten Kopfschütteln nicht mehr heraus. Der 13. Februar als Deadline? Ernsthaft? Hat sich das HFV-Präsidium medial abgekoppelt oder lebt man in einer Blase, in der Corona keine Rolle spielt? Ist man schlicht und ergreifend weltfremd?

13. Februar nicht realistisch

Nun, dass sich der HFV abgekoppelt hat, glaube ich nicht. Aber arg weltfremd ist diese Zielsetzung schon. Wir haben einen Lockdown bis zum 31. Januar, das heißt das öffentliche Leben steht praktisch still. Es sind harte Kontaktbeschränkungen in Kraft, der Präsenzunterricht in Schulen ist ausgesetzt und viele Berufsgruppen dürfen ihrem Job nicht nachgehen. Und nur zwei Wochen später will man beim HFV ein Mannschaftstraining mit 20-25 Leuten aktiv haben? Nein – das kann nicht funktionieren. Abgesehen davon, dass ich kaum glaube, dass der Inzidenzwert bis dahin unter 50 rutscht, wird die Politik kaum den Amateursport sofort öffnen. Wer sich an den „Eiertanz“ aus dem letzten Sommer erinnert, weiß, dass sich die Amateurfußballer hinten anstellen müssen. Und bei allem Wunsch nach Normalität und nach „Fussi“ ist das sicherlich auch richtig.

Verletzungsgefahr zu groß

Abgesehen davon: selbst wenn der sehr unwahrscheinliche Fall eintritt, dass man Mitte Februar wieder richtig trainieren kann, ist ein Re-Start Ende Februar kaum zu vertreten. Denn: im Gegensatz zum letzten Sommer hatte man bisher keine Phase, in der man in Kleingruppen trainieren konnte. Im Grunde würde man nach nur zwei Wochen Kaltstart direkt mit Wettkampf beginnen. Da muss man kein Trainingswissenschaftlicher sein, um zu erkennen, dass dies unverantwortlich ist. Die Verletzungsgefahr stiege unverhältnismäßig an. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Anscheinend ist dies den Personen über 50 im Präsidium aber egal

Tür ist geschlossen

Mit seiner Entscheidung und seinem offenen Brief schließt sich der HFV erst einmal die Türen, die Saison zu einem späteren Zeitpunkt vernünftig zu Ende zu bringen. Dabei wäre dies (zumindest in der Theorie) auch später noch möglich. Selbst ein Saisonstart an Ostern wäre möglich, auch wenn dann die Anzahl der Ausweichtermine praktisch gegen Null geht. Aber auch ein Restart im März würde ein ordentliche Saisonende nicht garantieren, hätte aber zumindest andere Ausweichtermine. Daher könnte die Videokonferenz mit den Vereinen am 22. Januar spannend werden. Denn das dürfte die einzige Chance sein, die geschlossene Tür zumindest etwas zu öffnen.

Torjäger Jeremy Wachter (im weißen Trikot) fehlt TuS Osdorf weiterhin. (Foto: Lobeca/Homburg)
Auf solche Spielszenen wird man in Hamburg wohl mindestens bis April verzichten
(Foto: Lobeca/Homburg)

Liga beenden, Pokal spielen, Ideen entwickeln

Die beste Lösung ist aber, den Ligaspielbetrieb 2020/21 zu beenden. Das ist natürlich ärgerlich, aber was soll denn jetzt nochmal ein mehrwöchiger Eiertanz? Das bringt doch keinen weiter. Lieber sollte man den Fokus darauflegen, die Pokalwettbewerbe ordentlich zu beenden. Diese sollten in auch in acht Wochen (Sagen wir im Mai und Juni) grundsätzlich machbar sein. Dann hätte die Saison zumindest ein wenig ein versöhnliches Ende in dieser zweifellos bescheidenen Zeit gefunden. Und dann gilt es unkonventionell zu denken – vielleicht lässt sich doch der eine oder andere Wettbewerb „aus dem Boden stampfen“. Der ersetzt zwar das Feeling der (Ober-) Liga nicht, hat aber zumindest etwas Reiz. Hier sind Ideen gefragt, nicht nur von Seiten des Verbandes, sondern auch von den Vereinen. Vielleicht auch von uns Medien.

Bessere Lobbyarbeit gefragt

Um die minimale Chance auf eine Fortführung der Saison und den Pokal zu erhalten, ist der Verband aber in Sachen politscher Lobbyarbeit gefragt. Man bekam nach dem ersten Lockdown das Gefühl, dass andere Verbände (beispielsweise die Nachbarn aus Niedersachsen oder beispielsweise der Deutsche Eishockey-Bund) dies besser hinbekommen haben. Hier ist das Präsidium um Dirk Fischer gefordert, mit der Politik ab Februar einen Plan zu entwickeln, wann es wieder losgehen kann mit Fußball. Mit Training, mit ersten Spielen und so weiter – denn so ein Hin und Her wie im letzten Sommer wird der Amateurfußball nur sehr schwer nochmals überstehen.